Manfred Senft: “Zusammen Wachsen”

Pfarrer Manfred Senft: “Zusammen wachsen” – Predigt gehalten bei einem ökumenischen Gottesdienst am 30. September 2018 im Garten des Obst- und Gartenbauvereins Dietzenbach

Liebe „ökumenische“ Gemeinde, als wir zur Vorbereitung des Projektes „zusammen wachsen – ein ökumenisch-geistlicher Weg“ zusammensaßen, in ökumenisch vertrauter Runde, wurde ich gebeten die Predigt zu übernehmen – ein letztes Mal bei „Keine halben Sachen“. Dazu drei Vorbemerkungen:

Erstens – ich predige nicht über das „Zusammenwachsen“ in einem Wort geschrieben, ich sage nichts zum Miteinander von evangelisch und katholisch, ich entfalte keine Dietzenbacher Thesen zur Ökumene. Es geht um das zusammen wachsen – getrennt geschrieben, um den geistlichen Weg, um das Wachsen im Glauben.

Zweitens – alles, was ich sage, predige ich auch mir selbst, gilt in gleicher Weise auch für mich.

Drittens – ich sage heute nichts Neues, vermutlich vieles, wenn nicht gar alles haben sie schon einmal gehört, vielleicht auch schon mehrmals zu Ohren bekommen.

Wenn es um das Wachsen im Glauben geht – wissen wir, worauf es ankommt. Wir wissen, was dem Glauben dient – aber wir tun es nicht. Wir wissen, was das Vertrauen in Gott fördert – aber wir setzen es nicht um. Wir wissen, Beichten kann unsere Seele entlasten, aber wir behalten unsere Schuld lieber für uns. Wir wissen, Gottesdienst feiern in der Gemeinschaft stärkt uns, aber wir gehen sonntags lieber ins Restaurant zum Brunch. Wir wissen, beten, insbesondere danken und loben erfüllt uns mit Freude und Zuversicht, aber wir nehmen uns keine Zeit für Gott. Wir wissen, was wichtig ist, aber wir tun es nicht – oder nicht konsequent genug.

Am Ende seines Weges auf Erden holt Jesus seine Jünger zusammen. Er weist ihnen ein letztes Mal den Weg. Er nordet sie ein und sagt zu ihnen: Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und macht zu Jüngern alle Völker, tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.

Mir kommt es auf ein Wort an – lehret sie halten. Es geht nicht nur um das Lehren, sondern: Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Lehren ist wichtig – keine Frage. Aber entscheidend ist es, die Lehre im Leben umzusetzen, von der Theorie zur Praxis zu kommen, die Lehre zu füllen, mit Leben, im Alltag. Schlicht gesagt – wer geistlich wachsen will,  braucht tägliche Übung. Es braucht tägliches Training.

Jeder, der Sport treibt, weiß – wenn ich ein bestimmtes Ziel erreichen will, muss ich trainieren. Jeder, der ein Instrument spielt, weiß – wenn ich ein bestimmtes Werk spielen will, muss ich üben. Ich vermute, die Spitzenpianistin Nami Ejiri übt jeden Tag mehrere Stunden auf ihrem Klavier. Unser ältester Enkel Frederik lernt seit einem halben Jahr Klavier. Im Mai waren wir mit der Großfamilie im Urlaub. Abends gehen wir mit allen in einer Häckerwirtschaft essen. Während sich alle unterhalten und die anderen Enkel spielen, sitzt Frederik mit seinem Vater am Tisch und übt mit den Fingern einen bestimmten Takt zu klopfen. Ich fand das ziemlich hart für den Kleinen. Aber sein Vater, also mein Sohn, sagt: erstens muss er täglich und regelmäßig üben. Vor allem muss er üben sich zu konzentrieren, auch wenn um ihn herum Ablenkung herrscht. Ziemlich streng.

Ob Ignatius von Loyola ein Musikinstrument gespielt hat, weiß ich nicht. Mit Sport hatte er vermutlich nichts am Hut. Ignatius lebte zunächst als Soldat. Das hat ihn geprägt. Der Jesuitenorden, den er mitbegründet hat, legt besonderen Wert auf Disziplin und Gehorsam, die Ordensregeln orientieren sich an militärischen Vorschriften. Vor diesem Hintergrund entwickelte er die Exerzitien. Geistliche Übungen, in denen der einzelne im Gebet und in der Stille sein Leben und das Leben Jesu betrachtet. Letztlich geht es um eine Vertiefung der Christus-Beziehung.

Disziplin und Gehorsam – Begriffe, die im Leben der Kirche heute nicht gerade en vogue sind. Andres die Senioren, die jede Woche dreimal regelmäßig ins Fitness-Studio gehen, um zu trainieren und ihre Gesundheit zu erhalten. Die sind diszipliniert bis zum Anschlag.

Wenn wir bei dem Wort Gehorsam auf den militärischen Bezug verzichten, geht es um nichts anderes als um das Horchen, um das Hören. Vor zwei Jahren habe ich an 10-tägigen Schweigeexerzitien nach Ignatius von Loyola teilgenommen. Der Tag begann um 6.30 Uhr mit einem Abendmahlsgottesdienst. Zugegeben: den Tag mit einem Schluck Wein zu beginnen, ist schon gewöhnungsbedürftig. Aber dahinter steht der Gedanke: Bevor das Müsli oder das Brötchen verzehrt wird, soll man/frau schmecken, wie freundlich der Herr ist. Und: das Erste, das wir am Tag hören sollen, soll Gottes Stimme sein. Dem entspricht im evangelischen Bereich der Gebrauch der täglichen Losungen. Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf ging frühmorgens in Herrenhut von Tür zu Tür und rief den Leuten einen Bibelvers zu.

Geistliche Übungen vollziehen sich in der Stille. So haben wir in den zurückliegenden Wochen auch versucht, täglich 30 Minuten in die Stille zu gehen. Ich vermute – es war alles andere als einfach. Im Kloster oder bei einer Kommunität – da gelingt es, da sind wir dem Alltag entzogen. Aber hier in Dietzenbach im Trubel des täglichen Hin und Her bedeutet es eine echte Herausforderung.

Doch es geht nicht ohne die Stille. Gott teilt sich nicht im Lärm der Straße mit. Er arbeitet nicht mit Verstärker und Lautsprecher. Am deutlichsten erkennen wir es bei dem Propheten Elia. Er befindet sich auf dem Berg Horeb. Da kommt ein Sturm auf, aber der Herr ist nicht im Wind. Nach dem Wind kommt ein Erdbeben. Aber der Herr ist nicht im Erdbeben. Auch nicht im Feuer. Dann kommt ein stilles sanftes Säuseln und der Herr spricht mit Elia.

Auch Jesus zieht sich immer wieder in die Stille zurück. In der Stille hält er Zwiesprache mit seinem himmlischen Vater. Wenn er sich wieder den Menschen zuwendet, spricht er ganz häufig über das Wachsen. Viele seiner Gleichnisse sind Wachstumsgeschichten. Das Senfkorn ist das kleinste unter den Samenkörnern. Doch wenn es gesät ist, geht es auf, wird größer als alle Kräuter und treibt große Zweige, dass die Vögel unter seinem Schatten wohnen können. Ein Mensch wirft Samen aufs Land und schläft und steht auf, Tag und Nacht. Und der Samen geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht. Und im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld (Mk 4, 3-20; Mt 13, 3-20; Lk 8, 5-15) wird zwar manche Saat von Vögeln gefressen, oder verdorrt oder wird von Dornen erstickt, aber einiges fiel auf gutes Land, ging auf, wuchs und brachte Frucht, einiges dreißigfach, einiges sechzigfach und einiges hundertfach. Das Ergebnis ist überwältigend, der Ertrag der Ernte ist enorm.

Mit diesen Gleichnissen sagt uns Jesus: Gott kommt mit dir ans Ziel. Es mag klein und unscheinbar beginnen, aber Gott lässt wachsen. Es mag auf dem geistlichen Weg Dürre und Dornen geben, aber Gott wird reiche Ernte schenken. Gott kommt mit dir, mit uns ans Ziel. Diese Zusage steht über unserem Leben. Diese Verheißung gilt unserem Glauben.

Geistliches Wachstum können wir nicht machen, können wir nicht produzieren, so wie man einen Kuchen backt. Wer an den Halmen zieht, damit sie schneller wachsen, macht sie kaputt. Wachstum liegt in Gottes Händen. Doch wir können den Boden bereiten, können säen. Ich möchte Ihnen ein Wort des Schriftstellers Gorch Fock mitgeben, auch wenn es aus einem anderen Zusammenhang stammt: Gottes sind Wogen und Wind, Segel aber und Steuer, dass ihr den Hafen gewinnt, sind euer.

Auch wenn wir manchmal viel Wind machen, diesen Wind können wir nicht machen. Aber wir können die Segel setzen, wenn Gott es wehen lässt.

Drei Empfehlungen im Blick auf geistliches Wachstum: 1.) Gottes Stimme soll den Tag eröffnen. Lassen Sie sich von ihrem I-Phone oder Smartphone am Beginn des Tages mit der Losung begrüßen. Wenn sie analog unterwegs sind, greifen sie zu dem Losungsheft. 2.) Verabreden sie sich mit Gleichgesinnten. Lesen sie in der Bibel und teilen sie ihre Entdeckungen und Erfahrungen. Real, digital oder virtuell. Verabredungen helfen dran zu bleiben und durchzuhalten. 3.) Nehmen sie sich wenig vor, aber das richtig und konsequent.

Und vergessen Sie nicht die Zusage: Gott kommt mit dir ans Ziel!

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