Erziehen zum Frieden

Pressebericht der Arbeitsgemeinschaft der Religionen (ARD) zum Informations- und Gesprächsabend für Eltern, Erziehende und Lehrende am 25.September 2018 im Haus des Lebens (HDL) zum Thema „Erziehen zum Frieden“

Die Arbeitsgemeinschaft der Religionen in Dietzenbach hatte zu einem Informations- und Gesprächsabend eingeladen. Etwa 30 Zuhörer/-innen – vorwiegend Lehrkräfte – waren am Abend des 25.September ins HDL gekommen. Der Pfarrer und Lehrende Uwe Handschuch hatte Fragen vorbereitet wie, ob Erzieher-Haltungen noch zeitgemäß und friedensförderlich sind wie etwa „Ein kleiner Klaps hat noch keinem Kind geschadet“. oder „Die Lehrer müssen wie früher mal wieder so richtig durchgreifen“, oder „Mein Kind soll richtig streiten lernen!“, oder „Ich bete zu Gott, dass meine Tochter mal keinen Christen heiratet“.

Drei geladene Erzieher legten in Impulsreferaten ihre pädagogischen Konzepte für das Erziehen zum Frieden dar: Die Diplom-Theologin Gonca Aydin ist Landesbedienstete. Sie war Mitglied der Kommission, die in Hessen im Auftrag des Kultusministeriums das Kerncurriculum DITIB Hessen (sunnitisch) für die Primarstufe erarbeitete. Sie unterrichtet an der Aue-Grundschule bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht. Die Diplom-Sozialarbeiterin Peggy Mazloum, die ehemals in Offenbach a.M. den Verein People’s Theater pädagogisch leitete und derzeit im Freiwilligendienst des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Hessen tätig ist. Und Rektor Jochen Schepp von der Sterntaler-Grundschule in Dietzenbach, an der mehr als 90 Prozent der Schüler/-innen ausländische Wurzeln haben.

Frau Gonca Aydin erklärte zunächst, dass der bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht an öffentlichen Schulen seinem Wesen nach eine staatliche Veranstaltung ist wie jedes andere Unterrichtsfach auch. Dies gilt unabhängig davon, für welche Konfession der Religionsunterricht eingerichtet ist. Er wird als ordentliches Lehrfach in staatlicher Verantwortung, d.h. nach staatlichen Curricula (Lehrplänen und Lehrzielen), in deutscher Sprache und grundsätzlich durch staatliche Lehrkräfte erteilt. Frau Aydin legte mittels eines Hadith, eines überlieferten Ausspruchs des Propheten Mohammad,  die Grundlage auch der Erziehung von Kindern dar. Mohammed legte einmal seinen Anhängern nahe, bei weltlichen und religiösen Festen Freunde und Nachbarn ungeachtet deren kultureller oder religiöser Herkunft miteinzuladen. Auf diese Weise könnten sie die anderen an den positiven Gedanken des Festes und ihrer Religion teilhaben lassen und so auch einfach interreligiösen und interkulturellen mitmenschlichen Kontakt pflegen. So könne man „Fremde“ kennen und verstehen lernen. Dieser Gedanke lasse sich auch auf  Kindererziehung übertragen. Denn damit werde die Akzeptanz und Toleranz in der Begegnung mit Menschen anderer Religionen, Kulturen, Auffassungen und Lebensweisen gefördert. Auf diese Weise werde den Schüler/-innen geholfen, sich zu öffnen, sich in einer pluralen Vielfalt möglicher Lebensentwürfe zurechtzufinden und eine eigene Identität zu entwickeln, die religiöse Orientierung und ethische Urteilsfähigkeit einschließt. Letztlich werden so an Hand des Korans und der Überlieferungen des Propheten Mohammed ethische Handlungsmaßstäbe vermittelt, wie Bewahrung der Schöpfung, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit sowie Achtung und Toleranz.

Frau Peggy Mazloum berichtete aus Bahá’í-Perspektive über den Einfluss eines positivem Menschenbildes auf die Art und Weise, wie man mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und auch miteinander umgehen solle. Hierzu bezog sie sich auf ein Zitat des Stifters der Bahá’í-Religion, Bahá’u’lláh: „Betrachte den Menschen als ein Bergwerk, reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert. Nur die Erziehung kann bewirken, dass es seine Schätze enthüllt und die Menschheit daraus Nutzen zu ziehen vermag.“

Daher stelle sich die Frage, welche Art der Erziehung es sei, die diese „Edelsteine“ hervorbringen könne? Und wie und wo setze man den Maßstab? Wie könne man sicherstellen, dass die Art der Erziehung auch tatsächlich zu einem Frieden führt, der bei mir beginnt, über meine Familie, meine Nachbarschaft, meine Stadt, mein Land letztlich zu einem weltumspannenden Unterfangen wird?

Frau Mazloum berichtete von Kinderklassen und Jugendgruppen, die weltweit in jedem Land der Erde durchgeführt werden, auch im Offenbacher Mathildenviertel. Dort sind derzeit 40 Kinder aus den verschiedensten religiösen und kulturellen Hintergründen in fünf verschiedenen Gruppen involviert, die gemeinsam mit deren Eltern daran arbeiteten, ein förderliches und ermutigendes Umfeld aufzubauen, in dem die Kinder lernen können zu denken, zu reflektieren und geistige Prinzipen auf ihr Leben und das der Gesellschaft anzuwenden. Dies wird ganz kreativ und praktisch mit den Kleineren erarbeitet, wie u.a. das Üben von Freundlichkeit wie Bitte und Danke sagen, die Tür aufzuhalten bis hin zu den älteren Kindern, die komplexere Projekte durchführen wie Müll aufräumen, Blumenpflanzprojekte erarbeiten und umsetzen,  oder Kuchen und belegte Brote an Bedürftige verteilen. So merken Kinder, Jugendliche und ihre Eltern, dass sie positive Eigenschaften entwickeln und Einfluss auf ihre unmittelbare Umgebung haben.

Rektor Jochen Schepp legte das Leitmotiv seiner Schule dar, Es ist ein Fair-Play-Konzept, in dessen Mittelpunkt der einzelne Mensch steht. Das betrifft Schüler, schließt aber auch Eltern und Lehrer mit ein. An seiner Schule verpflichten sich alle zu einem fairen Umgang miteinander und zu einer wertschätzenden Haltung, die den anderen unterstützt und stärkt, damit das, was sie an Inhalten vermitteln wollen, auf fruchtbaren Boden fällt.

Christliche Werte spielen an der Sterntaler-Schule keine explizite Rolle, da sie als Schule weltanschaulich neutral sind. Natürlich wurzeln viele Werte, die sich im hiesigen demokratischen System entwickelt haben, in christlichen Traditionen. Toleranz zum Beispiel oder Respekt, Achtsamkeit, Wertschätzung, da könne man natürlich Bezüge nicht nur zum Christentum finden, sondern – und das sei ihnen ganz wichtig – auch zum Islam. Sie seien stets bemüht, die Gemeinsamkeiten zu finden und nicht die trennenden Dinge.

Sie interessierten die Werte, die sie gemeinsam haben, und da fänden sie eine ganze Menge, die den Kindern gut tun. Wenn man von Fairness im Umgang spreche: Kein Mensch möchte geschlagen werden, kein Kind möchte beleidigt, keiner herablassend behandelt werden. Sie  finden, dass sich die Kinder mit diesen gelebten Werten in der Schule wohl fühlen und dann auch bereit sind, sich auf die Erziehungs- und Bildungsprozesse einzulassen. Es sei aber auch wichtig, dass diese Werte im Alltag gelebt und auch vom Lehrer verkörpert werden. So haben sie etwa in jeder Klasse eine Stunde soziales Lernen als Unterrichtsfach eingeführt.

Es sei aber ebenfalls wichtig, miteinander ins Gespräch zu kommen und die Kinder zu fragen: Was ist euch wichtig? Welche Regeln sollen in eurer Klasse gelten? So haben sie die Möglichkeit, teilzunehmen und ihren Lebensraum Schule mitzugestalten.

Kinder sagen, dass es ganz wichtig ist, freundlich zueinander zu sein, dass man Fehler machen darf und dafür nicht bestraft werden soll. Außerdem wünschen sie sich Hilfe, dass ihnen etwas erklärt wird, wenn sie etwas nicht verstehen. Natürlich komme es auch an seiner Schule in der Pause mal vor, dass jemand mit ihnen so umgeht, wie sie es nicht wollen. Dann wünschen sie sich, dass jemand da ist, an den sie sich wenden können und der sich für sie einsetzt. Für solche Fälle z.B. seien unter den Kindern Streitschlichter ausgebildet und eingesetzt worden. Mit diesem Konzept hätten sie gute Erfahrungen gemacht.

Nach den Referaten tauschten die Zhörer/-innen ihre Erfahrungen mit Konzepten für das Erziehen zum Frieden aus. Sie waren sich einig, dass selbst der kleine Klapps jedem Kind schadet, in Erinnerung bleiben und als – Gewalt anwendende – Durchsetzungsmethode nachgeahmt werden wird.

Dietzenbach, den 5.Oktober 2018 – Horst Schäfer (Pressesprecher)

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