Lachen in der hebräischen Bibel

Chajm Bloch – Das Lachen im Alten Testament

Auszug aus der Einleitung zu „Jüdische Witze und Anekdoten“, erschienen im Weiss Verlag GmbH Dreieich

Es ist oft gesagt worden, dass das jüdische Volk an Anekdoten, Witzen und sonstigem volkskundlichem Material am reichsten ist.

Das soll weder als Überheblichkeit noch als Übertreibung angesehen werden. Es ist vielmehr eine natürliche Folge des übernatürlichen Werdeganges dieses alten, immer von neuer Jugend- und Widerstandskraft erfüllten Volkes. Die Jahrtausende seines Bestehens, seine Verstreutheit in aller Welt, haben seine Anekdote – der enge Raum einer Einleitung zwingt mich vorläufig, mit diesem Wort auch auf den Witz in allen seinen Arten hinzudeuten – geschaffen. Vielfach ist sie durch Leiden und Bedrückung oder freudige Ereignisse verursacht worden und ist so alt wie das Volk selbst; auch sie „zog von Volk zu Volk und von Königreich zu fremder Nation“ und ist fast stets aus dem Leben gegriffen.

Dass die Juden in dieser Hinsicht ihre Wirtsvölker ausgiebig (und in gutem Sinne!) befruchtet haben, braucht nicht erst gesagt zu werden. In allen modernen Literaturen begegnet man Anekdoten und Sprüchen jüdischen Ursprungs (2). Keinen Geringeren als Goethe zog der jüdische Witz an. In seinen Tagebüchern aus Karlsbad finden sich Skizzen von jüdischen Anekdoten – sie zählen nicht gerade zu den besten! – die er in Karlsbad gehört hatte und die ihm so gut gefielen, dass er sie aufschrieb, offenbar, um sie gelegentlich zu verwerten. Das deutsche Volk kennt beispielsweise die Abenteuer des Freiherrn zu Münchhausen (3). Aber schon etwa 200 Jahre nach Chr. hatten die Juden ihren „Münchhausen“, den Seefahrer Rabba bar-bar Chana, dessen Schilderungen jene des neuzeitlichen Münchhausen an Schönheit weit übertreffen. (vgl. Talmud babli, Baba Batra 73-74, Joma 39a)

Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass die Juden ihrerseits auch von den verschiedenen Wirtsvölkern Anekdoten übernommen und ihnen ein jüdisches Gepräge gegeben haben.

Man muss sich vor Augen halten, dass die Juden lange vor ihrem Auszuge aus Ägypten (1495 v.Chr.), lange vor ihrer eigentlichen Volkwerdung, als „Söhne Israels“ (4) ein eigenartiges Leben geführt hatten. Die jüdische Geschichte beginnt wohl mit dem Erzvater Abraham, der Anekdote aber begegnen wir viel früher, nämlich schon bei Adam und Eva, dem ersten Menschenpaar; das Volk der Bibel kann diese ersten Anekdoten als die seinigen bezeichnen.

Nur kurze Hinweise auf biblisch-talmudische Anekdoten können in diesem gedrängten Rahmen gebracht werden.

Die erste jüdische Anekdote – das Wort Anekdote bezeichnet bekanntlich eine kleine anziehende Geschichte – ist ohne Zweifel die von der Erbsünde (1.Buch Mose 2,17-25 und 3, 1-24). Hier begegnen wir zum ersten Male der Verhöhnung, der Spottsucht.

Die Schlange, von der es heißt, „sie war listiger als alle Tiere“, sagte zu Eva: „Gott weiß, dass an dem Tage, an dem ihr davon esset, werden aufgetan eure Augen und ihr werdet wie Gott erkennen, Gutes und Böses.“ Das war eine gegen Gott gerichtete Spötterei. Selbst die Frage Gottes an Adam: „Wo bist du?“ klingt spaßhaft; wusste Gott doch in seiner Allwissenheit, wo Adam versteckt war. Beinahe vorwurfsvoll klingt die Antwort Adams an Gott: „Das Weib, das du mir gegeben hast, gab mir von dem Baum und ich aß!“ Auf die Frage Gottes: „Wo ist dein Bruder?“, antwortete der Brudermörder Kain mit einer Gegenfrage: „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ (1.Buch Mos 4,9), eine spitze, ironische Frage, eine Verhöhnung, die vor dem Allerhöchsten nicht zurückschreckte. Als Abrahams Frau Sarah hinter der Tür des Zeltes die Botschaft des Engels, dass sie einen Sohn gebären werde, hörte, lachte sie und dachte bei sich: „Nachdem ich alt geworden, soll meine Jugend zurückkehren?“ (1.Buch Mose 18, 12-15); eine bloß gedachte, verhüllte Spottrede. Daher die Frage des Engels: „Warum lacht denn Sarah?“ Einen anekdotenhaften Stoff bildet der Bericht von Abrahams „Handel“ mit Gott bei der Vernichtung Sodoms (1.Buch Mose 18, 20-32). Das heutzutage den Juden nachgerühmte Wortspiel wurde im alten Judentum häufig angewendet. Die meisten Namen entstanden durch Wortspiel. Adam , „denn er war aus Adama, Erde geschaffen.“ Adam nannte sein Weib Eva, Chawa, „denn sie war die Mutter aller Lebenden“. Lemech nannte seinen Sohn Noah, um zu sagen: „Dieser wird uns trösten“, usw.

Im Gegensatz zu anderen Völkern war im alten Judentum Spötterei verboten. Dies geht aus folgenden Stellen hervor:

Der Prophet Jesaja ruft: „Höret das Wort des Herrn, ihr Spötter, ihr Spruchdichter dieses Volkes in Jerusalem.“ (Jesaja 26, 14) „Spottet nicht, dass eure Fesseln nicht noch drückender werden.“ (Jesaja 28, 22) Bei Hosea heißt es: „Am Festtage unseres Königs werden die Fürsten durch die Weinglut krank; er selbst reiche seine Hand den Spöttern.“ (Hosea 7,5) Die Spötter erscheinen hier als Trinker. Die Psalmen beginnen mit den Worten: „Wohl dem Manne, der nicht wandelt nach dem Rate der Mutwilligen, der auf dem Wege der Sünder nicht harrt und im Kreise der Spötter nicht sitzt.“ (Psalm 1,1) Hier reiht sich der Spötter ausdrücklich dem Sünder an. König Salomo fragt: „Wie lange noch, ihr Toren, liebt ihr Torheit und ihr, Spötter, Lust zu Spötterei?“ (Sprüche 1,22) Hier kommt die Spötterei der Torheit gleich. „Mit den Spöttern treibt er Spott, den Demütigen aber verleiht er Gnade.“ (Sprüche 2,34) Da ist die Demut der Spötterei gegenüber gestellt. „Ein weiser Sohn lässt sich vom Vater züchtigen, ein Spötter aber hat niemals einen Verweis gehört.“ (Sprüche 15,1) Der Spötter erscheint hier, wie in den Psalmen, als Gegensatz des Weisen. „Der Übermütige, Dünkelhafte, Spötter ist sein Name, handelt mit frechem Übermut.“ (Sprüche 21,24)

Aber so sehr die Spötterei in der heiligen Schrift verurteilt wird, so sehr erscheinen das Verstehen der Gleichnisse und Spruchdichtungen, der Reden der Weisen und ihrer Rätsel als ein Vorzug und daher wird empfohlen: (Sprüche 1,6) „Menschensohn, gib ein Rätsel auf und trage ein Gleichnis vor über das Haus Israel.“ (Jeches. 17,2) „Ich will zu einer Gleichnisrede meinen Mund auftun, Rätsel aussprechen.“ (Psalm 78,2)

Wie oben schon gesagt, sind im Alten Testament verschiedene anekdotische Stoffe zu finden. Vor allem bei Simson. Die Schrift berichtet (Richter 14, 1-18) von ihm, er habe zu den Philistergesellen gesprochen: „Ich will euch ein mal ein Rätsel zu raten geben; wenn ihr es mir erraten könnt innerhalb der sieben Tage des Festes und die Lösung findet, so gebe ich euch dreißig Hemden und dreißig Festkleider. Könnt ihr es aber nicht erraten, so gebt ihr mir dreißig Hemden und dreißig Festkleider.“ –  Da sprachen sie: „Gib dein Rätsel auf, wir wollen es hören!“ – Da sagte er: „Vom Fresser kam der Fraß. Vom Wilden kam das Wilde!“ Durch den Verrat einer Philisterdirne gelang es den Philistergesellen, die Lösung zu bringen. Darauf sagte Simson: „Hättet ihr nicht mit meinem Kalbe gepflügt. Hättet ihr es nicht rausgekriegt!

Das Rätsel war ein verstecktes Wortspiel. „Zu ihm redete ich von Mund zu Mund und sichtbar, nicht in Rätseln, dass er ein Abbild des Herrn schaut.“ (2.Buch Moses 12,8). Im Altertum war das Rätsel sehr beliebt. „Die Königin von Saba vernahm den Ruf Salomons, so mächtig und erhaben, und sie kam, ihn mit Rätseln zu prüfen.“ (1.Könige 10,1)

Auch zur Zeit des Talmuds gab es viele Spötter, Anekdotenerzähler und Witzlinge. So weiß eine Stelle zu berichten: „Es gibt kein Geschlecht ohne Spötter. Was taten die Ausgelassenen im Zeitalter Davids? Sie stellten sich hinter die Fenster Davids und riefen: <Wann wird das Heiligtum erbaut? Wann werden wir schon ins Haus Gottes kommen können?> (Talmud jerus.Berachot, Abschnitt 2 Hal.1). „Im Zeitalter Moses sprachen die Spötter Israels: <Wie ist es möglich, dass die Gottesherrlichkeit auf dem Sohn Amrams ruhe?> (Midrasch rab.Schemot, Abschnitt 31). Korah, der nach dem Bericht der Schrift das Volk gegen Moses aufwiegelte, versammelte eines Tages die ganze Gemeinde, sprach über Moses voll Hohn und erzählte ihr folgende Geschichte: „Eine Witwe und zwei Waisenmädchen, die ein Feld besaßen, wollten das Feld ackern. Da sagte Moses: <Du sollst nicht Ochsen und Esel zusammen zum Pflügen verwenden.> Als sie säen wollten, sagte er: <Du sollst nicht dein Feld mit zweierlei Arten besäen.> Als sie ernten wollten, sagte er: <Eine Nachlese sollt ihr lassen.> Als sie dreschen wollten, sagte er: <Priestergeschenk, ersten Zehnten und zweiten Zehnten sollt ihr geben.> Es blieb nun der Witwe nichts übrig, als das Feld zu verkaufen. Sie verkaufte es und handelte zwei Lämmer ein, um sich mit ihrer Wolle zu bekleiden.  Als die Lämmer warfen, kam Ahron und forderte: <Die Erstlinge sollt ihr als Lohn geben, denn so befahl es Gott.> Und als die Zeit kam, da sie die Lämmer zu scheren hatten, sagte er: <Gib mir das Schönste von der Schur.> Da dachte die Witwe bei sich. <Ich habe nicht die Kraft, diesem Manne zu widersprechen,> und sie beschloß, die Lämmer zu schlachten und sie zu verzehren. Als sie geschlachtet waren, sagte Ahron: <Das Vorderbein, die beiden Kinnbacken und den Magen sollt ihr mir geben.> Da klagte die Frau: <Habe ich schon die Lämmer geschlachtet, den Mann werde ich nicht los. Die Lämmer sind für mich im Banne.> Aber Ahron erwiderte: <Nun sind sie ganz mein! Denn so sprach der Herr, alles Gebannte soll mir gehören!> Er nahm die Lämmer und ging davon und ließ die Witwe und die Waisen klagend zurück. So gingen sie gegen diese Elenden vor und beriefen sich auf Gott.> (Jalkut Schimoni, Abschnitt Korah).Korah und sein Anhang fielen der Vernichtung anheim und noch heute ruft er, so will es die Sage, in der Hölle ohne Unterlaß: „Moses ist wahr und seine Lehre ist wahr.“ (Jalkut Reubeni, Abschnitt Korah)

Die folgenden Ausführungen werden am besten beweisen, dass auch nach dem Talmud die Spötterei verboten ist.

Schädlich ist die Spötterei, denn ihr Beginn ist Leid, ihr Ende Vernichtung.“ (Talmud jerus. Berachot, Abschnitt 2). „Ein Schlächter spottete über Rabbi Seara; man ließ ihn holen, damit er gestraft werde. Als die Boten kamen, trug man seinen Sarg aus dem Hause; jener war der Sünde halber gestorben.“ (ebenda). „Eine der vier Menschenklassen, die das Angesicht der Schechina, der Gottesherrlichkeit, nicht sehen werden, ist die Klasse der Spötter.“ (Talmud Babli, Sotah 42a). Der „Heilige Lehrer“ (5) gebot seinem Sohne: „Wohne nicht in Sekancib (6), denn die Leute sind da Spötter und werden dich zur Spötterei verführen.“ (Talmud babli, Pesachim 112a). Interessant ist ein Bericht im Talmud, von einem Schüler, der einen Ausspruch seines Lehrers verhöhnt hatte. Da warf der Meister einen Blick auf ihn und dieser wurde zu einem Haufen Knochen (Talmud babli, Baba Batra 75a). Wie sehr der Talmud die unzüchtige Rede verachtet hat, geht aus folgenden Stellen hervor: „Wegen der Sünde der unkeuschen Reden mehren sich die Leiden, harte Verhängnisse werden erneuert, die Jünglinge (der `Feinde Israels’) sterben, Waisen und Witwen schreien und werden nicht erhört.“ (Talmud babli, Sabbat 33a). „Jeder weiß, wozu die Braut unter den Trauhimmel geführt wird, allein wer seinen Mund beschmutzt, dem wird derselbe, selbst wenn ihm ein siebzigjähriger Beschluß zum Guten besiegelt war, zum Bösen verwandelt.“ (ebenda). „Wer seinen Mund beschmutzt, dem wird die Hölle tief gemacht.“ (ebenda). In diesem Zusammenhang soll auch folgendes Geschichtchen angeführt werden. Als der König Janaus die Rabbinen hinrichtete, floh Rabbi Jehosua, der Sohn des Prachjah, mit seinem Jünger Jesu nach Alexandien in Ägypten. Nachdem Friede eingetreten war, sandte Rabbi Simon ben Sotah an ihn: „Von mir Jerusalem, der heiligen Stadt, an dich Alexandrien in Ägypten, meine Schwester. Mein Mann weilt in deiner Mitte und ich sitze da verlassen.“ Da machte sich Rabbi Jehosua auf und kehrte heim. Als man ihn in einem Gasthaus sehr viel Freundschaft erwies, sprach er: „Wie schön ist diese Achsanja.“ Jesu entgegnete: „Ihre Augen sind matt!“ (Talmud babli, Sanhedrin 107b). Dazu ist zu bemerken, dass das Wort ‚Achsanja’ für ‚Gasthaus’ und auch für ‚Gastwirtin’ verwendet wird. Es war ein treffliches Wortspiel um den Lehrer zu necken (7).

Dagegen finden wir Stellen, nach denen der Spaß, die Posse, der Witz, geradezu lobenswert erscheint. So: „Rabbi Beraqua der Hozaer weilte in der Straße von Lapat und Elijahu pflegte ihn da zu besuchen. Einmal fragte er ihn: <Gibt es einen in dieser Straße, der der zukünftigen Welt teilhaftig ist?> Dieser erwiderte>: <Nein!>…..Währenddessen gingen zwei Brüder vorüber. Da sprach er: <Diese sind der zukünftigen Welt teilhaftig!> Da ging er – Rabbi Beraqua – auf sie zu und fragte sie: <Was ist eure Beschäftigung?> Sie erwiderten: <Wir sind Spaßmacher, Ansche Beduche (8), erheitern die Traurigen, und wenn wir Streitende sehen, so bemühen wir uns, Frieden zu stiften.> (Talmud babli, Raanit 22a). Wie man aus dem Vorstehenden ersieht, ist im Talmud zwischen Spaß und Spötterei wohl ein Unterschied.

Eigenartig wie das Judenvolk ist der Judenwitz. Und an dieser Stelle sei ausdrücklich festgestellt: Was die Welt im großen und ganzen für den jüdischen Witz hält, ist kein jüdischer. In der Tat gibt es zweierlei Gattungen dieses Witzes: Judenwitz und jüdisches „Lozale“, von Dr.Josef S. Bloch „jüdisch-antisemitischer Witz“ benannt.

Wir wollen zunächst den Judenwitz näher ins Auge fassen.

Sein Grundtrieb ist orientalischer, talmudischer Geist, in ihm ist die Linie gegeben, die zur Judenseele hinführt. Er bezieht sich meistens auf rein jüdische Dinge, bewegt sich in rein jüdischem Milieu und ist dem Westeuropäer unbekannt. Dieser Witz ist keusch und bescheiden, bietet einen eigenartigen Humor, in welchem Sanftmut, Verdruß, Freude, Traurigkeit, Ernst und Spaß miteinander kämpfen. Ich glaube, es war Novalis, der das Wort gesprochen hat: „Der Ernst muß heiter sein, der Scherz muss ernsthaft schimmern.“ Dieses Wort kam mir bei der Bearbeitung dieses Werkes oft in den Sinn. Und wenn Schopenhauer sagte: „Je mehr ein Mensch des ganzen Ernstes fähig ist, desto herzlicher kann er lachen,“ so kann das auf den Juden angewendet werden; er ist auch in seinem Humor ohne Ernst nicht zu denken.

Hier ein paar Beispiele:

1. Ein Freund fragte einmal Rabbi Kranz, den berühmten Maggid von Dubno: „Wenn du es mit deinen Strafpredigten ernst meinst, warum lässt du dich bezahlen?“ Lachend erwiderte der Maggid: „Auch Gott straft keinen Menschen umsonst!“

2. Die russisch-orthodoxen Geistlichen tragen bekanntlich Bärte, auch ihre Kleidung machten sie den Juden ähnlich. Eines Tages lustwandelte ein russischer Bischof in einer ausländischen Stadt. Die Buben, die ihn für einen Juden hielten, warfen Steine und Kot auf ihn; nur mit Mühe konnte er sich aus ihrer Mitte freimachen. Er flüchtete in das Haus eines Juden und klagte ihm sein Leid. „Wir Juden“, meinte dieser, „kennen das schon zweitausend Jahre!“

3. Der Oberrabbiner von Komaróm/Ungarn, Dr. Armin Schnitzer, war einmal in Wien über Sabbat und wohnte einer Predigt des gefeierten Kanzelredners Dr. Adolf Jelinek bei. Tags darauf traf er mit Jelinek zusammen und sprach ihm seine Bewunderung über die Predigt aus. Jelinek wehrte ab und sagte: „Sprich zu den Kindern Israels – dann aber sollen sie abziehen!“ (9)

4. Man fragte einmal den bekannten hebräischen Schriftsteller Mose Leib Lilienblum in Odessa, wie die Annahme entstanden sei, dass der Jude eine lange Nase hat. „Das kam daher“, meinte der freidenkende Lilienblum, „weil Moses das jüdische Volk vierzig Jahre an der Nase herumgeführt hat!“

5. Ein Jude lebte mit seinem christlichen Nachbarn im Dorf im besten Einvernehmen. Als der Bauer einmal schwer erkrankte, tat er ein Gelübde, im Falle seiner Genesung aus dem Baum vor seinem Hause ein Kreuzbild machen zu lassen. Er erholte sich wieder und hielt sein frommes Versprechen. Als der Bauer eines Tages bemerkte, dass der Jude vor dem Kreuzbild den Hut nicht zog, stellte er ihn zur Rede. „Mein lieber Freund“, meinte der Jude, „ich kenne ihn, als er noch ein Baum war!“

6. Von der Frau sagt König Salomo einmal: „Wer eine Frau gefunden, der hat Gutes gefunden!“ (Sprüche 18,22). Wieder sprach er: „Ich finde, dass die Frau bitterer ist als der Tod!“ (Prediger 7,26). Diesen Widerspruch erklärte Rabbi Eisik Charif von Slonim auf folgende Weise: „Es liegt im Wesen des Menschen, immer mehr des Guten zu verlangen. Hat aber einer das „Gute“, die Frau, erreicht, so verlangt er keine andere zu heiraten, weil er sich überzeugt hat, dass sie bitterer als der Tod sei. Der zweite Ausspruch ist also nur eine Ergänzung des ersten.“

Im Judenwitz spiegelt sich oft nicht nur das Leben des Einzelnen, sondern auch das des Volkes. Aus manchem Witz schält sich auch ein geschichtlich bedeutungsvoller Kern heraus. Dieser Witz ist in den meisten Fällen nicht erklügelt, nicht ersonnen, sondern die Folge eines Ereignisses, die Wirkung des Zufalles; er quillt aus der Seele des Juden.

Durch eine scherzhafte Anspielung, von Sigmund Freud als die „mittelbare Darstellung“ bezeichnet, entledigt sich der Jude seines Urteils über Mensch und Ding und gibt durch ein fein geschliffenes „Wörtchen“ seiner Anerkennung oder seinem Mißfallen Ausdruck. Dieses „Wörtchen“, womit die witzigen Redewendungen gemeint sind, kitzelt und erpresst ein Lächeln – kein Lachen! (10). Er bedient sich des Witzes, um jemandem eine „Grobheit“ zu sagen, um ihn zu „treffen“, wobei er mit staunenswerter Gleichgültigkeit eine kleine Bosheit ins Gespräch streut, die so fein und artig ist, dass auch der „Gegner“ lächeln, ja sich freuen muß.

Der Jude bringt aber auch den Mut auf, durch witzige Ausdrucksmittel eigene Fehler und Schwächen einzugestehen, Wohlergehen und Missgeschick durch ein Wortspiel, durch einen „Dreh“ anzudeuten, und liegt ihm ein nicht beabsichtigter tiefer und lehrreicher Kern zugrunde. Soweit der jüdische Witz.

Das „Lozale“ hingegen, gesucht und unecht, an den Haaren herbeigezogen, ist in seiner Anspielung und Entblößung häufig unverschämt, unkeusch, spöttisch im gemeinsten Sinne des Wortes; ihm ist die Annahme von der „jüdischen Frechheit“, von der „Chuzpah“ zu verdanken. Das „Lozale“, als dessen Vater Eisenbach zu verzeichnen ist, verhöhnt häufig den Juden, macht ihn zum Schacherer, Betrüger, Ausbeuter, Protzen, Geizhals, häuft Schmutz in sein Familienleben und ist besonders für die auf sinnlichen Genuss erpichten „Feinschmecker“ berechnet; all das Schöne und Herrliche, um das die Juden von der nichtjüdischen Welt beneidet werden, kommt in diesen Witzen fast nie zum Ausdruck.

Diese Witze, von Heinrich Heine mit Recht „Flöhe des Gehirns“ benannt, werden auf Bühnen und in Weinhäusern, einer in Kurzweile erstickenden Menge vorgetragen oder in sogenannter „guter Gesellschaft“ erzählt, feiern in verschiedenen Witzblättern ihren Sieg und haben in unserer blinden, hoffnungslosen Zeit ihre höchste Blüte erlebt. Leute von pöbelhaften Neigungen lachen sich in flachem Sinnengenuss und stumpfer Betäubungsgier auf Kosten der jüdischen Ehre schief und krumm. Diese faulen Witze tragen nur deshalb eine „jüdische Note“, weil sie in der Tat von Juden – schlechten, getauften und halb-getauften Juden – erzeugt werden, weil sie in einer Mauschelsprache, aber in einer verdorbenen, unmöglichen, wiedergegegeben werden, weil ihre „Helden“ jüdische Namen haben. (Schon die Tatsache, dass man für sie, neben den biblischen Namen Cohn und Levy, geschmackloseste Namen wie „Bauchgestank“, „Krebitzer“, „Dallesberger“ herausklügelte, ist der beste Beweis für ihre Unechtheit.) Diese Witze können nicht als jüdischer Geist, als jüdischer Inhalt anerkannt werden. Jakob Wassermann lässt seinen Helden Waremme („Fall Maurizius“) ein Urteil über die Juden abgeben. „Ich hasste sie, sämtlich. Ich hasste ihr Idiom, ihren Witz, ihre Denkungsart, ihren Geschäftsgang, ihre spezifische Melancholie, ihre Anmaßung, ihre Selbstpersiflage.“ Diese wütende Ablehnung Waremmes ist nicht gut angebracht. Denn Waremme kennt weder die Vorzüge der wirklichen Juden, noch ihre Fehler.

Einige „Lozalech“, d.h. jüdisch-antisemitische Witze, sollen hier als Kostprobe geboten werden.

1. Ein Ehepaar lebte auf ziemlich großem Fuße. Nach der Ansicht der einen soll der Mann viel verdient und sich etwas zurückgelegt haben, nach anderen wieder soll sich die Frau etwas zurückgelegt und dabei viel verdient haben. – – –

Ein herrliches „Lozale“! Was aber jüdisch an ihm ist, außer, dass es vielleicht von einem gewissenlosen Juden erdichtet wurde, weiß ich nicht.

2. Ein Schadchen, d.i. ein jüdischer Heiratsvermittler, schlägt einem jungen Mann eine Partie vor. Dieser fragt den Schadchen. „Legen Sie mehr Wert auf ehr oder auf bar?“

Ein gelungener Witz, der sein jüdisches Gesicht dadurch erhielt, dass von einem Schadchen die Rede ist. Den gleichen Witz hörte ich im Kriege von einem nicht-jüdischen Honvéd-Offizier, jedoch in folgender Fassung: Graf Esterhazy beglückwünschte seinen Gutsverwalter, einen verkrachten ungarischen Baron, zu seiner Verlobung und meinte: „Ich möchte wissen, worauf Sie mehr Wert legen, auf ehr oder auf bar?“

3. Als König Ahab ins kanonische Alter kam und den Freuden dieser Welt immer noch nicht entsagte, sandte Gott seinen Propheten zu ihm mit der dringenden Ermahnung, ein Gott wohlgefälligeres Leben zu führen. Als dieses jedoch ohne Wirkung blieb, schickte Gott seinen Propheten abermals zu dem sündigen König und ließ ihm sagen: „Ahab, wenn du nicht ablässt von deinem gottlosen Leben, so wird dir der liebe Gott zur Strafe eine große Dürre schicken!“ – „Ach,“ meinte da König Ahab, „eine kleine Dicke wär’ mir lieber!“

Dieser Witz kann nicht als jüdischer Witz bezeichnet werden.

4. Frau Sonnenschein, wegen ihres Geizes stadtbekannt, bekam einen Zentner Kohlen geliefert. Nachdem sie sie abgewogen hatte, ergriff sie noch einige Stücke, die auf die Strasse gefallen waren und sagte: „Die gehören auch mir.“ – „Jawohl, gnädige Frau,“ sagte der Kohlenträger höflich, „und dann ist mir auch noch ein Stückchen ins Auge gefallen, soll ich das auch in den Keller tragen?“

Man gab diesem unjüdischen Witz einfach einen jüdischen Namen.

5. „Sagen Sie, liebe Frau Pollack, was ist der Unterschied zwischen einem Juden, einem Christen und einem Automobil?“ – „Wie soll ich das wissen?“ fragte Frau Pollack, „ich bin noch nie unter einem Automobil gelegen!“

Die Heldin bekommt einen „jüdischen“ Namen und das „Lozale“ ist fertig.

(1) Chajm Bloch, geb.am 27.06.1991 in Nagybocskó/GalizienÖsterreich-Ungarn; gestorben am 23.01.1973 in New York), war ein chassidischer und kabbalistischer Rabbiner und Publizist, der den Chassidismus und seine Führer in weiten Kreisen bekannt machte. Er war ein herausragender Kenner jüdischer Tradition und Mystik. Chajm Bloch wandte sich 1935 mit seinem Werk „Blut und Eros im jüdischen Schrifttum und Leben“ direkt gegen die vom NS-Gauleiter Julius Streicher gegründete, antisemitische Wochenzeitung „Der Stürmer“. Nach dem sog. „Anschluß Österreichs“ an das NS-Reich 1938 wurde Chajm Bloch für drei Monate von den Nationalsozialisten im Wiener Durchgangslager in der Karajangasse inhaftiert. Sein Bruder Markus wurde 1942 in einem Konzentrationslager ermordet

(2) Nur einige Beispiele: Das König-Salomo-Wort „Alles ist schon dagewesen“ erhielt bei Karl Gutzkow neue Gestalt als Ausspruch seines Ben-Akiba. Im Talmud babli (Erubin 65a) heißt es: „Wenn Wein hineingeht, kommt das Geheimnis heraus.“ Jiddisch: „Was bei einem Nüchternen auf der Lunge, ist bei einem Betrunkenen auf der Zunge.“ (Taubes, Talmudische Elemente im jiddischen Sprichwort, Wien 1928, N.244). Deutsch: “Wo Wein eingeht, geht Scham aus.“ (Tetzner, Deutsches Sprichwörterbuch, S.531). Salomo sagte: „Gebt Rauschtrank dem Herumirrenden und Wein dem, der erbitterten Gemütes ist, der mag trinken und seiner Armut vergessen und seines Mühsales nicht mehr gedenken.“ (Sprüche 31-37). Ein Gegenstück findet sich in der „Frommen Helene“ von Wilhelm Busch: „Es ist ein Brauch von alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör.

(3) Eine Auswahl bei Fränger, Deutscher Humor, Berlin 1929

(4) Im ersten Buch Mose ist von einem „Volk Israel“ keine Rede. Bei der Eroberung Sichems sprachen die Söhne Jakobs zu Sichem: „Wir wollen dann wohnen bei euch und zu einem Volke werden.“ (1.Buch Mose 14,16). Eigentümlicherweise erhielten die „Söhne Israels“ die Bezeichnung „Volk“ von ihrem Bedrücker, dem Ägypterkönig, der zu seinem Volke sprach: „Das Volk Israel ist größer und stärker als wir.“ (2.Buch Mose 1,9).Dann heißt es: „Gott ließ es dafür den Hebammen wohlergehen; das Volk aber mehrte sich und ward sehr mächtig.“ (ebenda 1,20). Erst am brennenden Dornbusch sprach Gott zu Moses: „Gesehen habe ich das Elend meines Volkes.“ (ebenda 3,7)

(5) Rabbi Jehuda, der Fürst, der Ordner der Thorah-Gesetzessammlung Mischnah, um 200 n.Chr.

(6) Sekancib ist ein Ort bei Bagdad.

(7) Die betreffende Stelle, wegen der Schlussfolgerung, die auf ‚Jesu von Nazareth’ hindeutet, von der Zensur gestrichen, ist nur in alten Talmudausgaben zu finden. Ich bemerke, dass sich obige Stelle auf Christus nicht beziehen konnte, da Rabbi Jehosua ben Prachjah etwa 200 Jahre vor ihm gelebt hat. Im Talmud jer. Chagiga, Abschnitt 2 Hal.1 kommt dieser Bericht in geänderter Fassung vor. (Statt Rabbi Jehosua ben Prachjah heißt es Jehuda ben Tabai)

(8) Kohut, Aruch completum, übersetzt. „heiter sein“, „übermütig sein“.

(9) Ein überaus gelungenes Wortspiel. Im 2.Buch Moses 13-15 heißt es: „Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wieder sehen. Der HERR wird für euch streiten und ihr werdet stille sein. Und der HERR sprach zu Mose: Was schreist du zu mir? Sage den Israeliten, dass sie weiterziehen.“

(10) „Es ist dem Menschen verboten, auf dieser Welt mit vollem Munde zu lachen“ (Talmud babli, Berachot 31a). „Man erkennt einen Menschen an seinem Lachen“ (Talmud babli, Erubin 65b). Ähnlich das neuzeitliche Sprichwort: „Wie ein Volk lacht und weint, so ist es!

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